Bücher
Serpentinen Serpentinen
Texte und Gedichte. Kasskara-Verlag Norderstedt, 1996. Vergriffen!


In stillen Stunden

In stillen Stunden höre ich wieder
das Schreien der entkörperten Glieder.

Fünfzig Jahre nach Kriegsende -
im Vergessen war man behende.

Doch alle die gequälten Seelen
sagen uns, wir müssen wählen
zwischen Eigenverantwortung
oder dem erneuten Sprung
in die Tiefen von menschlichem Haß.

Noch immer haben welche ihren Spaß,
wenn andere sich zu Tode fürchten...

In stillen Stunden erdrückt mich fast
die Angst, wir werden wieder vergast.


Regenschirme

Erstaunlich, daß bei Regenwetter die Mienen der hastenden Menschen noch grimmiger sind als sonst.
Auffallend tief sind dann die Falten über der Nasenwurzel, die meist nichts Gutes bedeuten. Das kommt wohl unter anderem von den vielen bedrohlichen runden Stoffgebilden, die zum Schutz vor natürlicher aber scheinbar unangenehmer Nässe dienen sollen.
An diesen Tagen fühle ich mich auf der Straße wie in einer Arena, wo ich von gefährlichen Spitzen umgeben bin, und gejagt werde.
Auffallend und erstaunlich ist auch die Eile, die sich an solch regnerischen Tagen der Menschen bemächtigt.
Sollte sie eine Flucht vor diesen unliebsamen, stoffbekleideten Spitzen sein, so wäre sie gänzlich sinnlos. Man kann ihnen doch auch durch beschleunigtes Tempo nicht entrinnen. Weil man ihnen überall begegnet. Egal, ob man nun hastig oder langsam geht.
Warum dann dieses rücksichtslose, blinde Rennen, das tausende unangenehme Fußgängerunfälle verursacht? Man tritt sich auf die Füße, man rempelt sich an, man sticht sich gegenseitig mit den Spitzen seiner Schirme fast die Augen aus, nur weil man in der idiotischen Annahme lebt, mit größerer Geschwindigkeit Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen zu können.
Kann man aber nicht. Auch nicht den Regentropfen und -schirmen.
Man könnte sich genausoviel Zeit nehmen wie man sich auch bei einem Schönwetter-Bummel leistet, könnte unangenehme Körperberührungen vermeiden, dadurch etwas entspannter sein und somit sich selbst und seinen Mitmenschen etwas Gutes tun.
Man könnte seinen Schirm etwas höher heben, wodurch sich auch der jeweilige Horizont beträchtlich erweiterte, könnte gemütlicher gehen und schon würde man einen freundlicheren Eindruck machen.
Und die Welt erschiene für alle Beteiligten nicht mehr ganz so grau.


Menschentropfen

Regentropfen
an den Scheiben
die sich suchen,
nicht alleine bleiben,
sich vereinen,
größer werden
um dann leichter,
mit Genuß,
sich erweitern
in ihrem Fluß.
Menschen sollten ihnen gleichtun.
Leichter geht's
wenn wir uns
zusammentun.


Zurück